Aktuelles zum Kindergeldanspruch nach krankheitsbedingtem Ausbildungsabbruch

Ein Kindergeldanspruch wegen einer Berufsausbildung des Kindes ist nicht mehr
möglich, wenn die Ausbildung wegen einer Erkrankung nicht nur unterbrochen, sondern
beendet wurde. Handelt es sich aber um eine nur vorübergehende Erkrankung und ist
das Kind nachweislich weiter ausbildungswillig, ist es nach Ansicht des
Bundesfinanzhofs ggf. als ausbildungsplatzsuchendes Kind zu berücksichtigen.
Sachverhalt
Die im Februar 1994 geborene Tochter (T) begann im Februar 2016 eine zweijährige
schulische Ausbildung. Die Familienkasse gewährte der Mutter (M) daher zunächst
Kindergeld. Im Herbst 2017 erfuhr die Familienkasse, dass T schon im März 2017 von der
Schule abgegangen war und ab September eine Vollzeitbeschäftigung aufgenommen hatte.
Daher hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab April 2017 auf.
In der Folge versuchte M durch verschiedene Atteste nachzuweisen, dass ihre Tochter die
Schule nur wegen einer Erkrankung nicht mehr weiter besuchen konnte. Doch der
Familienkasse genügte dies nicht. Sie forderte eine alle sechs Monate zu erneuernde
ärztliche Bescheinigung, aus der sich die Erkrankung und deren voraussichtliches Ende
ergeben. Außerdem hätte T schon im April 2017 erklären müssen, dass sie sich zum
nächstmöglichen Zeitpunkt um eine Berufs- oder Schulausbildung bewerben werde.
Der dagegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht Baden-Württemberg für die Monate
April bis September 2017 statt. Dabei ging es davon aus, dass sich die T weiter in einer
Ausbildung befunden habe. Der Bundesfinanzhof sah das aber anders.
Für volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kommt nach §
32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) ein Kindergeldanspruch u. a. dann in Betracht,
wenn

• sie sich in einer Berufsausbildung befinden,
• sich vergeblich um einen Ausbildungsplatz bemühen oder
• sich wegen einer Behinderung nicht selbst unterhalten können.

Eine Berücksichtigung als „in Ausbildung befindliches Kind“ setzt voraus, dass das
Ausbildungsverhältnis weiter besteht. Hieran fehlt es, wenn das Kind (wie im Streitfall)
während der Ausbildung erkrankt und das Ausbildungsverhältnis durch Abmeldung von der
Schule, Kündigung oder Aufhebungsvertrag beendet wird.
In einem solchen Fall kommt eine Berücksichtigung als ausbildungsplatzsuchendes Kind
in Betracht. Ist ein Kind aus Krankheitsgründen gehindert, sich um einen Ausbildungsplatz zu
bewerben oder diesen anzutreten, sind strenge Voraussetzungen zu beachten:

• So darf die gesundheitliche Beeinträchtigung regelmäßig mit hoher
Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate andauern.
• Zudem ist die Ausbildungswilligkeit des Kindes für den entsprechenden Zeitraum
nachzuweisen.

Merke: Als Nachweis sind mehrere Beweismittel möglich. Es wird aber regelmäßig nicht
ausreichen, wenn der Kindergeldberechtigte

• die Familienkasse zunächst unter Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht nicht über
den krankheitsbedingten Abbruch einer Ausbildung oder der Bemühungen um eine
Ausbildungsstelle informiert,
• der Familienkasse damit die Möglichkeit der zeitnahen Anforderung eines Nachweises
der Ausbildungswilligkeit nimmt und die Ausbildungswilligkeit des volljährigen Kindes
erst im Nachhinein rückwirkend pauschal behauptet.

Beachten Sie: Bei voraussichtlich länger als sechs Monate andauernder Erkrankung
kommt ggf. eine Berücksichtigung als behindertes Kind in Betracht.
Der Bundesfinanzhof hat den Streitfall an das Finanzgericht zurückverwiesen. Hier
sind nun nähere Feststellungen dazu zu treffen, ob die Tochter als
ausbildungsplatzsuchendes oder behindertes Kind berücksichtigt werden kann.
Quelle: BFH-Urteil vom 31.8.2021, Az. III R 41/19, BFH-PM Nr. 3/22 vom 10.2.2022